Oder verträgt sich das eine schlecht mit dem anderen? Was haben die Ratsherren mit der Badegesellschaft zu tun, die man auf dem Mai-Bild sieht? Werden auf diesen Bildern etwa Ernst und Spiel gegenübergestellt, erfährt man also etwas über die Breite des Lebens derer, die da im Dezember aus dem Rathaus kommen? Oder sind die den Monaten zugeordneten Tätigkeiten oder jedenfalls die Darstellungen der vier Jahreszeiten Allegorien, die uns mit ihrer Anschaulichkeit täuschen, die Wirklichkeitsnähe vorgeben, tatsächlich aber etwas völlig anderes meinen?
All das ist nicht nur möglich. Es schließt sich auch nicht aus. Gewiß bilden diese Darstellungen nicht Wirklichkeit unmittelbar ab. Aber sie geben doch in ihrer Entstehungszeit und an ihrem Entstehungsort angesiedelte Szenen, um mitzuteilen, was sie mitteilen wollen. Kleider, wie man sie hier sieht, wurden im Augsburg des 16. Jahrhunderts tatsächlich getragen. Ein Turnier sah damals so aus, wie man es hier erblicken kann, und die Lokalitäten jedenfalls auf dem letzten Bild sollen die Augsburger sein, und sie sind es auch.
Doch damit ist offensichtlich nicht erschöpft, was diese Bilder mitteilen wollen. Oberhalb dessen, was uns heute als kulturgeschichtlich reizvoll erscheint, uns also zum Beispiel darüber unterrichtet, wie die Ratsherren einer großen Stadt gekleidet waren, wenn sie an einer Ratssitzung teilnahmen, hat man es hier offensichtlich noch mit einer anderen Bedeutungsschicht zu tun. Die im Vordergrund der Bilder dargestellten Szenen - und in wohl geringerem Grade auch die reichen Szenarien, die sich einer genaueren Betrachtung der Bildhintergründe erschließen - stehen in jahrhundertealten ikonographischen Traditionen, sie fügen sich namentlich dem Darstellungstypus "Monatsbilder" ein.
Doch was könnte das heißen? Hat der Auftraggeber den Maler veranlaßt, Augsburger Wirklichkeit des 16. Jahrhunderts so umzuformen, daß sie sich in diese Bildtradition einfügen ließ, oder kann man den Maler selbst für das verantwortlich machen, was man hier sieht? Oder hatte sich womöglich die Realität selbst, also zum Beispiel das festliche Verhalten derer, die man auf den Bildern sehen kann, dieser Darstellungstradition schon angepaßt? Führten im 16. Jahrhundert die reichen und mächtigen Augsburger in der Wirklichkeit sozusagen Monatsbilder auf?
All diese Fragen lassen sich nicht beantworten. Als gewiß darf man nur annehmen, daß wir es hier mit einer Auftragskunst zu tun haben - wie damals üblich, ja vielleicht noch in höherem Maße als sonst. Diejenigen, die bis zur Reformation Altarbilder oder Epitaphien in Auftrag gaben, waren vermutlich nicht an allen Details der Darstellung interessiert gewesen. Die Maler hatten in Grenzen selbständig verfahren können, und die kenntnisreicheren Auftraggeber, die an Qualität interessiert waren, dürften um 1500 gewußt haben, daß sie die Maler und Bildschnitzer nicht in jeder Einzelheit festlegen durften.
Bei den vier Augsburger Jahreszeitenbildern dürfte das anders gewesen sein - vor allem deshalb, weil die Maler nun, nachdem die Aufträge, welche auf Kirchenausstattungen zielten, infolge der Reformation weggefallen waren, in einer schwierigen Situation waren. Wir kennen aus dem gleichzeitigen Nürnberg die Klage der jetzt arbeitslosen Künstler. Um 1530 dürfte ein deutscher Maler von seinem Auftraggeber abhängiger gewesen sein als drei Jahrzehnte zuvor.
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